Der Umgang mit Schmerzensgeldtabellen sollte für jeden spezialisierten Rechtsanwalt im Schadensrecht zentral sein. Eine seriöse Darstellung von Schmerzensgeldansprüchen hilft nicht nur bei der Entscheidung über die Höhe vor Gericht. Auch außergerichtlich wird dem Versicherer ein klarer Ramen vorgegeben werden, damit dieser objektiv und sachverhaltsnah über die Regulierung entscheidet.
1. Bindungswirkung
Schmerzensgeldtabellen entfalten keine Bindungswirkung. Eine pauschale Übernahme vergleichbarer Urteile aus einer solche Liste ist so gut wie immer unzureichend/verkürzt und gibt der Gegenseite unnötigen Argumentationsspielraum für Kürzungen.
Eine Schmerzensgeldbezifferung erfolgt bei uns keinesfalls nur tabellenorientiert und ist individuell. Dieses Vorgehen ist nicht nur seriöser, sondern erzielt auch nachweislich höhere Schmerzensgelder (hierzu können Abfindungsvergleiche mit von den Versicherern zunächst vorgeschlagenen Vergleichsurteilen mit unseren schließlich – nach Ablehnung des Angebots – erzielten Ergebnissen verglichen werden).
Dennoch wird als Teilbereich bei der Darlegung von Schmerzensgeldern auch bei uns, außergerichtlich wie im Gerichtsprozess, eine Heranziehung vergleichbarer Urteile als zweckmäßig angesehen.
2. Was sind Schmerzensgeldtabellen ?
Hierbei handelt es sich um die Sammlung von vergangenen Urteilen über die Höhe von Schmerzensgeldern. Es werden abgeurteilte Fälle aus den Bereichen Unfall und Arzthaftung aufgelistet, die vergleichbare Verletzungsbilder aufzeigen und gegenüber gestellt.
Die Schmerzensgeldtabellen sind dabei jedoch nur eine Bemessungsgrundlage für die Bezifferung von Schmerzensgeldern.
Wir verweisen auf eine gängige Definition für die Grundlage der Schadensbezifferung:
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu beachten. Insoweit kommt es auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychische Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere der Operation, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlung, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden (vgl. BGH VersR 1955, 615; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 12. Aufl., Rdn 274 ff.). Dabei muss die Entschädigung zur Art und Dauer der erlittenen Schäden in eine angemessene Beziehung gesetzt werden (vgl. BGH VersR 1976, 968; OLG Hamm MDR 2003, 1249). Schließlich ist das Schmerzensgeld an Urteilen für vergleichbare Fälle zu orientieren (vgl. BGH VersR 1970, 134; Küppersbusch/Höher, a.a.O., Rdn. 281).
3. Welche Schmerzensgeldtabellen gibt es?
Gängige Tabellenwerke sind unter anderem:
- Die Schmerzensgeldtabelle des ADAC von Hacks,Ring,Böhm
- Die Beck`sche Schmerzensgeldtabelle von Andreas Slizyk
- Die Schmerzensgeldtabelle von Jaeger und Luckey, Luchterhand Verlag
Wir verwiesen außerdem auf die Online Schmerzensgeldtabelle des OLG Celle:
Viele weitere Tabellenwerke werden online von Anwälten aufgelistet. Hier ist jedoch Vorsicht geboten!
4. Kritik und Einordnung von Schmerzensgeldtabellen
a) Richterlicher Maßstab
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat der Tatrichter grundsätzlich einen Ermessensspielraum, dem der BGH jedoch Grenzen gesetzt hat (Hierzu die Instruktive Entscheidung des OLG Naumburg vom 29.11.2006, Az 6 U 114/06). Den Orientierungsrahmen für den Richter bilden Urteile für vergleichbare Fälle. Ausgehend von diesen Urteilen hat der Richter jedoch die besonderen Umstände des Einzelfalls zu bewerten, die seit den Entscheidungen eingetretene wirtschaftliche Entwicklung zu berücksichtigen und bei geänderten allgemeinen Wertvorstellungen zum Schmerzensgeld die Rechtsprechung behutsam fortzuentwickeln.
b) Vergleichbarkeit
Online Schmerzensgeldtabellen enthalten nur kurze und verkürzte Darstellungen des Vergleichsfalls. Es werden sämtliche einordnungsrelevante Faktoren außen vor gelassen und man vergleicht schließlich „Äpfel mit Birnen“.
Beispielhaft wird ein physischer Schaden durch eine Ellenbogenfraktur mit einem ausgeteilten Betrag von 30.000€ als Referenz angegeben. Hieraus können so gut wie keine Ableitungen für den eigenen und konkreten Fall getroffen werden. Es fehlt die kritische Einordnung:
- Über die Person des Schädigers (schmerzensgelderhöhend sind z.B. der Verschuldensmaßstab sowie dessen wirtschaftliche Verhältnisse in Bezug zu dem Geschädigten),
- Darüber ob, zukünftige Ansprüche kapitalisiert wurden (So können mögliche Schäden, die bisher noch nicht eingetreten sind aber mit hoher Wahrscheinlichkeit noch folgen mit einem Pauschalbetrag abgegolten werden – dies kann mehrere 10.000€ umfassen),
- Über den Bereich, aus welchem der Vergleichsfall stammt (z.B. Arzthaftung, Verkehrsunfallrecht, vorsätzliche Schädigung),
- Ob eine Geldrente für die Zukunft vereinbart wurde (So kann z.B. monatlich eine Schmerzensgeldrente von 400€ ausgeurteilt worden sein, um möglichen Dauerschäden genüge zu tun),
- Die Art der Verletzung (Schwere, Dauer, Anzahl der Folgebehandlungen und die Einordnung als Dauerschaden eines gleichen Schadensbildes können Differenzen von mehreren 100.000 € ausmachen),
- Auswirkungen auf Teilbereiche des Alltags (schmerzensgelderhöhend sind Auswirkungen auf sämtliche Teilbereiche des Alltags, der Arbeit und der allgemeinen Psyche).
Schließlich bleiben, besonders bei einem Bezug auf vergangene Urteile, auch die Inflation und weltwirtschaflichen Veränderungen unberücksichtigt.
c) Ausblick und Fortentwicklung der Rechtsprechung
Hierzu der BGH: