Neben einem Schadensersatzanspruch steht dem Betroffenen nach einem schweren Unfall oder einem ärztlichen Behandlungsfehler auch die Zahlung eines Schmerzensgeldes in angemessener Höhe zu.

Durch die Zahlung eines Schmerzensgeldes wird der immaterielle Schaden des Geschädigten ersetzt. Nach § 253 BGB ist ein immaterieller Schaden kein Vermögensschaden, sondern dadurch eingetreten, dass der Betroffene nach dem schädigenden Ereignis körperlich und gesundheitlich eingeschränkt ist und dadurch sein Leben nicht wie zuvor gestalten kann.

Das Schmerzensgeld kann dementsprechend keinen Schaden rückgängig machen. Vielmehr stellt es einen finanziellen Ausgleich für die Folgen des schädigenden Ereignisses dar. Außerdem soll das Schmerzensgeld auch Genugtuung verschaffen für das Leid, welches der Geschädigte erfahren musste.

 

Art der Schmerzensgeldzahlung

Für die Art der Schmerzensgeldzahlungen gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Zum einen kommt eine einmalige Zahlung des Schmerzensgeldes in Betracht. Außerdem kann die Zahlung eines Schmerzensgeldes auch als monatliche Geldrente erfolgen. Inwieweit welche Art der Schmerzensgeldzahlung verwendet wird, ist stark von den Gegebenheiten des Einzelfalles abhängig.

 

Wie wird die Höhe eines Schmerzensgeldes bemessen?

Für die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes muss jeder Einzelfall für sich betrachtet werden. Dafür werden unterschiedliche Faktoren herangezogen:

  • Wie schwer ist die Verletzung?
  • Wie lange war die Dauer der Behandlung und des stationären Krankenhausaufenthaltes?
  • Wie hoch ist die Intensität der Schmerzen?
  • Wie alt ist der Geschädigte?
  • Inwieweit wird das Leben des Geschädigten durch die Verletzung/ die Schmerzen beeinträchtigt?
  • Kann der erlernte Beruf noch ausgeübt werden?
  • Sind durch das schädigende Ereignis psychische Einschränkungen entstanden?
  • Kann ich meine Hobbys weiterhin ausüben?
  • Ist die Erwerbstätigkeit eingeschränkt?
  • Gibt es Einschränkungen im Sexualleben?
  • Ist die Gebär- oder Zeugungsfähigkeit beeinträchtigt?
  • Bleibt das Autofahren weiterhin möglich?
  • Muss für die Verletzung zeitlicher Aufwand (z.B. Physiotherapie) betrieben werden?

Aus diesen Bemessungsfaktoren wird deutlich, wie einzelfallabhängig jeder Schmerzendgeldfall ist.

Letztlich muss sich jeder der Beteiligten fragen lassen:

 

Was empfände ich als angemessen, wenn mir solch ein Schaden und Schicksal widerfahren würde?

 

Anstieg von Schmerzensgeldern in der Rechtsprechung

Zudem steigen die Schmerzensgeldbemessungen der Gerichte zunehmend an. Wenn das Schmerzensgeld in der Vergangenheit noch eine kurz bemessene Nebenrolle spielte, so erfuhr es seit 1985 einen Wandel im Bezug auf die Höhe:

Waren es anfangs 150.000€, und schließlich 250.000€, so entschied das Landgericht München, dass ein querschnittsgelähmter 48 Jahre alter Mann im Jahr 2001 ein Schmerzensgeld von 500.000€ erhielt. ( LG München vom 29.03.2001 – 19 O 8647/00)

Auch rechtspolitisch finden immer mehr Faktoren Einzug bei der Bemessung eines angemessenen Schmerzensgeldes. So teilte das Landgericht München mit, „…dass Schmerzensgelder in gewisser Weise mit der inflationären Entwicklung Schritt halten müssten und dass ein höheres Schmerzensgeld…allgemein befürwortet werde.“

Daraufhin urteilten die OLG Köln, Hamm, Saarbrücken und Stuttgart Schmerzensgelder bei Geburtenfehlern von über 500.000€ aus.

2012 wurde ein Schmerzensgeld durch das KG Berlin für einen Kindschaden in Höhe von 650.000€ ausgeteilt. (KG Berlin vom 16.02.2012, 20 U 157/10)

2015 urteilte das OLG Köln 600.000€ Schmerzensgeld für einen Schwerstschaden aus. (OLG Köln v. 10.12.2014, 02.02.2015 – 5 U 75/14)

 

Einwendung „amerikanische Verhältnisse“ von Seiten der Versicherer

Oft werden wir im Mandantengespräch oder von der Versichertenseite als Einwendung mit dem typischen Schlagwort „amerikanischer Verhältnisse“ konfrontiert. Dass ein solcher Vergleich die Realität nur verkürzt darstellt, liegt daran, dass jene Schmerzensgelder in Amerika neben originären Schmerzensgeldern auch sämtliche weiteren Schadensersatzansprüche umfasst. Diese machen, zur Verwunderung vieler Mandanten, z.B. mit Erwerbsschaden, Pflegekosten und Haushaltsführungsschaden neben dem Schmerzensgeld oft einen sogar weit überwiegenden Teil der Gesamtforderung in Deutschland aus.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass auch amerikanische Anwaltskosten hiervon umfasst sind. Diese allein machen in Amerika ca. 40% des Betrages aus.

Die Erhöhung von Schmerzensgeldern kann somit nicht mit Amerika verglichen werden und hat seine eigene Berechtigung. Auch wird die Versicherungsbranche nicht unangemessen überlastet. So prognostizieren Versicherungen für querschnittsgelähmte Menschen Deckungssummen von ca. 11 Millionen Euro. (Vgl. Hoffmann, VW 2008, 1298)

 

Rechtsprechung

Damit trotzdem ein grober Überblick über die Höhe von gerichtlich festgelegten Schmerzensgeldzahlungen gewonnen werden kann, werden hier im Folgenden einzelne Urteile zur Veranschaulichung  kurz dargestellt:

  • Schwere frühkindliche Schädigung I: Der BGH hat in seinem Urteil vom 13.10.1992 – VI ZR 201/91 der Klägerin noch ein Schmerzensgeld in Höhe von „nur“ 50.000 DM und einer Schmerzensgeldrente in Höhe von 500 DM monatlich zugesprochen, nachdem dem Beklagten während der Geburt schwerwiegende Fehler passierten und die Klägerin infolgedessen schwer geschädigt zu Welt kam.

 

  • Schwere frühkindliche Schädigung II: Das OLG Hamm sprach am 16.01.2002 – 3 U 156/00 dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 € zu, nachdem der behandelnde Arzt während des Geburtsvorganges Fehler gemacht hatte, in Folge derer der Kläger schwerstbehindert geworden war.

 

  • Unfruchtbarkeit: Das LG Mainz sprach in seinem Urteil vom 24.06.2010 – 2 O 312/2006 einem 15-jährigen Mädchen, welches durch einen Behandlungsfehler während einer Krebsoperation unfruchtbar geworden war, ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 € zu.

 

  • Hüftgelenkverletzung: Das OLG Saarbrücken sprach dem Betroffenen mit dem Urteil vom 28.08.2013 –1 U 182/12 ein Schmerzensgeld in Höhe von 65.000 € zu. Dabei kam es während der Behandlung einer Hüftpfannenfraktur zu einem Fehler des Arztes, durch welchen ein künstliches Hüftgelenk erforderlich geworden war.

 

  • (Teil-)Erblindung: Das OLG Hamm verurteilte am 10.05.2016 – 26 U 107/15 einen Arzt zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 80.000 €, nachdem die Sehkraft eines 11-jährigen Kindes erheblich reduziert wurde und eine spätere, vollständige Erblindung drohte.

 

  • Beinamputation: In einem Urteil des OLG Oldenburg vom 18.03.2020 – 5 U 196/18 wurde der behandelnde Arzt, der grob fehlerhaft eine Meningitis übersehen hat, zu einer Zahlung von 800.000 € verurteilt. Dem 5-jährigen Kind mussten in Folge der Erkrankung beide Beine amputiert werden.

 

Schmerzensgeldtabellen

Tabellen für die Bemessung von Schmerzensgeldern existieren viele (z.B. Beck-online oder ADAC). Auch wenn eine Heranziehung und blinde Übernahme dieser Werte grob falsch wäre, so können sie einem juristischen Laien eine erste und ungefähre Orientierung  geben. Beispielhaft kann hier auf die Online Schmerzensgeldtabelle des OLG Celle verwiesen werden.

In unserer anwaltlichen Praxis haben wir jedoch eine gänzlich andere Herangehensweise entwickelt, wodurch wir sehr wahrscheinlich deutlich höhere Schmerzensgeldbeträge für Sie erzielen können.

Hierzu: Schmerzensgeldtabellen –  Eine Orientierung und kritische Einordnung

 

Kapitalisierung zukünftiger Schadensersatzansprüche

Bei möglichen Dauerschäden oder bei, zum Zeitpunkt der Geltendmachung noch nicht erfolgten, notwendigen weiteren Revisionsoperationen oder bei der Möglichkeit weiterer Komplikationen ist insbesondere die Kapitalisierung möglicher zukünftiger Schadensersatzansprüche zu berechnen, um einen hierfür gerechten Abfindungsbetrag auszurechnen. Gemeint ist dabei, dass durch einmalige Zahlung sämtliche mögliche zukünftige Schadensersatzzahlungen abgegolten werden. Eine genaue Kenntnis über mögliche Feinheiten und Bemessungen ist schon deshalb wichtig, weil schon kleine Änderungen z.B. am Zinssatz schon mehrere 10.000€ am Gesamtbetrag ausmachen können.

Um einen pauschalen Betrag und dessen Angemessenheit zu beurteilen sind im Personenschadensrecht insbesondere zu berücksichtigen:

  • Höhe der Schadensersatzrente
  • Laufzeit
  • Zinssatz
  • Kapitalertragssteuer
  • Dynamisierung von z.B. Pflegeentgeld

 

Wie lange kann ich meinen Schmerzensgeldanspruch geltend machen?

Schmerzensgeldansprüche verjähren gem. § 195 BGB innerhalb von drei Jahren. Die Frist beginnt damit am 31.12. des Jahres zu laufen, in welchem das schädigende Ereignis liegt.

Beispielrechnung: Im Jahr 2019 kam es während einer ärztlichen Behandlung zu einem Fehler des Arztes. Die Verjährungsfrist für den Schmerzensgeldanspruch beginnt dementsprechend am 31.12.2019 an zu laufen und endet mit Ablauf des 31.12.2022.

Der Stichtag des 31.12. sollte damit also genau im Blick behalten werden.

Für die Verjährung bei Ansprüchen aus einer fehlerhaften, ärztlichen Behandlung gelten jedoch andere Maßstäbe, nämlich der Zeitpunkt der Kenntnis aller behandlungsrelevanten Zusammenhänge. Damit beginnt die Verjährung meist erst mit der Vorlage eines positiven Sachverständigengutachtens, in dem ein Behandlungsfehler bejaht wird.

 

Fazit

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Höhe eines Schmerzensgeldanspruchs von den Besonderheiten des konkreten Falles abhängig ist. Zwar kann ein noch so hohes Schmerzensgeld eine gesundheitliche Beeinträchtigung nicht mehr rückgängig machen, doch gerade deswegen sollte der Geschädigte wenigstens finanziell sorglos sein können.  Die Höhe der von den Gerichten zugesprochenen Schmerzensgeldern steigt zudem zunehmend an.

Damit also eine höchstmögliche Summe erzielt werden kann, sollte ein fachkundiger Rechtsanwalt zur Hilfe gezogen werden, welcher die erheblichen Bemessungsgrundlagen gegenüber dem Gericht und den Versicherern der Gegenseite detailliert und sorgfältig darlegt sowie mit der notwendigen Durchsetzungskraft vertritt.

RA Marco Schneider