VersicherungsrechtUrteileSturz auf einer beruflichen Tagung stellt auch mit einem Blutalkoholwert von fast zwei Promille einen Arbeitsunfall dar!

12. April 2023

Das Sozialgericht Heilbronn hat entschieden, dass ein nächtlicher Sturz eines Betriebsratsmitglieds während einer Tagung auch dann einen Arbeitsunfall darstellt, wenn der dieser einen Blutalkoholwert von fast zwei Promille hatte.

Der 58-jährige Kläger ist Betriebsrat bei einem internationalen Konzern.
Im April 2010 fand in einem Hotel eine dreitägige Betriebsräteversammlung statt. Die Veranstaltung war nach dem ersten Tag gegen 19.30 Uhr beendet. Als der Kläger sodann gegen 01.00 Uhr durch das Treppenhaus zu seinem Hotelzimmer gelangen wollte, stürzte er mit 1,99 Promille im Blut und verletzte sich am Kopf und an der Lunge. Daraufhin wurde er erst gegen 04.00 Uhr aufgefunden und in die Notaufnahme verbracht. Im Anschluss war er über einen längeren Zeitraum nicht arbeitsfähig und leidet bis heute unter Schmerzen und Konzentrationsstörungen. Gegenüber seiner Berufsgenossenschaft gab der Kläger an, sich nicht mehr an den Unfallhergang erinnern zu können. Es sei auf der Tagung üblich, auch beim abendlichen geselligen Zusammensein unter Kollegen über betriebliche Belange zu sprechen.
Die Berufsgenossenschaft verneinte daraufhin zunächst das Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Der Kläger habe sich zum Unfallzeitpunkt in einem alkoholisierten Zustand befunden und nicht bewiesen, dass er dabei einer betrieblichen Tätigkeit nachgegangen sei.
Gegen diese Entscheidung richtete sich der Kläger mit seiner Klage.
Das Gericht hat die Berufsgenossenschaft daraufhin verpflichtet, den Sturz des Kläger als Arbeitsunfall anzuerkennen.
So habe der Kläger beim geselligen Beisammensein auch Dienstliches besprochen. Zudem habe sich der Arbeitsunfall auf dem Weg ins Hotelzimmer ereignet. Dies sei ein Arbeitsweg, der selbst dann unfallversichert ist, wenn der Kläger im Hotel nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung nur private Gespräche geführt hätte. Eine klare Trennung der Themen sei bei beruflichen Tagungen regelmäßig ohnehin nicht möglich. Der Versicherungsschutz sei auch nicht durch den Alkoholkonsum entfallen. Der Kläger habe auch nach den Ermittlungen der Berufsgenossenschaft keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen gehabt.

RA Marco Schneider