RA Marco SchneiderAllgemeinEntscheidung des BayObLG hebt Verurteilung von Jérôme Boateng auf

22. September 2023

 

Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat eine bedeutende Entscheidung im Fall des ehemaligen Fußballnationalspielers Jérôme Boateng getroffen. Das Landgericht München I (LG) hatte Boateng zuvor wegen Körperverletzung und Beleidigung verurteilt, doch das BayObLG hat diese Entscheidung nun in vollem Umfang aufgehoben (Urteil vom 21. September 2023, Aktenzeichen 206 StRR 112/23). Dies bedeutet, dass der Fall an das LG München I zurückverwiesen wird, wo der Prozess von Neuem beginnen wird.

Boatengs Revision erfolgreich

Die Entscheidung des BayObLG folgte der erfolgreichen Revision von Jérôme Boateng und wurde auch von der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage akzeptiert. In seiner Begründung erklärte Boatengs Anwalt, Dr. Leonard Walischewski, dass das ursprüngliche Verfahren „erschütternd unfair“ gewesen sei. Er bemängelte, dass Boateng bereits vor Beginn des Berufungsverfahrens als schuldig angesehen wurde.

Im vorherigen Prozess wurde Boateng wegen Angriffen auf seine Ex-Freundin während eines Urlaubs in der Karibik in zweiter Instanz wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10.000 Euro verurteilt, was insgesamt 1,2 Millionen Euro entspricht.

Befangenheitsantrag zu Unrecht abgelehnt

Ein wesentlicher Aspekt der Revision war, dass Boatengs Recht auf ein faires Verfahren verletzt wurde. Laut Walischewski war der Vorsitzende Richter nicht neutral und nicht distanziert. Der Hauptgrund für die Revision war, dass der Richter sich selbst in einer Befangenheitsfrage beurteilt hatte. Walischewski argumentierte, dass dies eine Form von richterlicher Willkür darstellte.

Das BayObLG stimmte dieser Argumentation zu und erklärte, dass das LG München I den Befangenheitsantrag ohne ausreichende Begründung abgelehnt hatte. Dies führte zur zwingenden Konsequenz, das Berufungsurteil aufzuheben.

Ist eine Getränkekühltasche ein gefährliches Werkzeug?

Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Nebenklage hatten ebenfalls Revision gegen das Urteil eingelegt, da sie eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und somit eine härtere Strafe gefordert hatten. Das BayObLG stimmte auch diesem Anliegen zu. Das LG München I hatte nicht geprüft, ob Boateng ein gefährliches Werkzeug im Sinne des Gesetzes verwendet hatte, indem er seine Lebensgefährtin mutmaßlich mit einer Getränkekühltasche beworfen hatte.

Das LG München I wird nun erneut über diese Frage und alle anderen Sachverhalte entscheiden, da das BayObLG das Urteil mit sämtlichen Feststellungen aufhob. Dies wird von einer anderen Strafkammer des LG verhandelt werden. Der ohnehin schon langwierige Rechtsstreit wird somit noch länger dauern. Es sei angemerkt, dass das Amtsgericht München bereits im Jahr 2021 eine Geldstrafe gegen Boateng verhängt hatte, jedoch zu einem geringeren Tagessatz von 60 Tagessätzen zu je 30.000 Euro, was insgesamt 1,8 Millionen Euro entspricht. Es ist zu beachten, dass Vorstrafen erst ab einer Verurteilung zu mehr als 90 Tagessätzen im Führungszeugnis erscheinen (gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 5 Bundeszentralregistergesetz).

Rechtsanwalt Marco Schneider

RA Marco Schneider