UrteileArbeitsrechtArtikelRA Dino-Alain ErnstingBeleidigung eines Kollegen – ordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung wirksam

3. Juli 2022

„Du Bastard“ – ist ein Grund für eine ordentliche Kündigung

 

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm (Az.: 18 Sa 645/21), hat am 20.01.2022 entschieden, dass der Arbeitgeber zur ordentlichen Kündigung auch ohne vorherige einschlägige Abmahnung berechtigt ist, wenn der bzw. die betroffene Arbeitnehmer*in einen/eine Kolleg*innen als „Bastard“ beschimpft.

 

Was war passiert?

Die Klägerin ist seit 2009 als Verkäuferin bei der Beklagten beschäftigt. In den Jahren 2018 und 2019 erteilte die Beklagte der Klägerin mehrere Abmahnungen. Gegenstand der Abmahnungen waren zum einen Kassendifferenzen und zum anderen unangemessenes Verhalten der Klägerin gegenüber Kunden und Kollegen. Am 14.12.2019 kollidierte die Klägerin in einem engen Gang  versehentlich mit einem Kollegen, der einen Karton auf den Schultern trug. Anschließend kam es im Pausenraum zwischen dem Kollegen und der Klägerin zu einem Streit. Hierbei beleidigte die Klägerin den Kollegen als Bastard.

Weil die Klägerin bereits einschlägige Abmahnungen erhalten hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß. Die Klägerin meinte jedoch, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei und erhob Kündigungsschutzklage.

 

Die Entscheidung

Vor dem Arbeitsgericht obsiegte zunächst die Klägerin, weil die vorherige Abmahnung zu unbestimmt sei und die Abmahnung unwirksam war. Die Beleidigung als Bastard im Pausenraum unter vier Augen rechtfertige zudem nach Ansicht des Arbeitsgerichts keine ordentliche Kündigung, weil die Beleidigung nicht als schwerwiegend anzusehen sei. Das sah das Landesarbeitsgericht anders. Die Beleidigung als Bastard sei so schwerwiegend, weil der Kollege damit als unterwertiger Mensch von illegitimer Abstammung bezeichnet wurde. Die Kündigung sei deshalb wirksam, wobei es auf die vorherige Abmahnung nicht ankommt.

 

Praxis

Ob eine Kündigung wegen Beleidigung wirksam ist, ist immer eine Einzelfallentscheidung. Nicht jede Kundgabe einer Missachtung rechtfertigt eine ordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Erst eine besonders schwerwiegende Beleidigung wie z.B. Bastard oder Arschloch kann eine ordentliche rechtfertigen. Treten weitere Umstände hinzu, wie z.B. dass die Beleidigung vor anderen erfolgte, ohne vorherige Provokation und der betroffene Arbeitnehmer oder die betroffene Arbeitnehmerin einschlägig abgemahnt wurde bestärkt dies die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung.

 

Dino-Alain Ernsting