RA Marco SchneiderAllgemeinDer Ofarim-Prozess: Eine unerwartete Wendung und ihre Konsequenzen

29. November 2023

 

Der Prozess gegen Gil Ofarim wegen falscher Verdächtigung vor dem Landgericht Leipzig nahm eine überraschende Wendung, als der Musiker ein Geständnis ablegte. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe der Verleumdung und falschen Verdächtigung wegen einer antisemitischen Beleidigung wurden von Ofarim bestätigt. Im Zuge dessen wurde eine vorläufige Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage von 10.000 Euro angeboten.

Ofarim gestand, dass er den Hotelmanager W. fälschlicherweise beschuldigt hatte, ihn aufgefordert zu haben, seinen Davidstern „einzupacken“. Dieser Vorwurf wurde in einem Instagram-Video verbreitet, das Ofarim später löschte. Zahlt Ofarim die Geldauflage innerhalb der nächsten sechs Monate, wird das Verfahren endgültig eingestellt.

Der Gerichtssaal war an diesem Tag von Medien und Publikum gut besucht, als Ofarim mit seinen Anwälten auftrat, zunächst posierte und dann überraschend den Saal verließ. Nach einer längeren Wartezeit begann das Gericht schließlich mit der Verhandlung, die der Vorsitzende Richter als „historisch interessant“ bezeichnete.

Die Kammer entschuldigte sich für die Verzögerung und erklärte, dass sie nicht immer „Herr der Dinge“ sei. Dies sollte nicht die einzige Entschuldigung bleiben. Der Vorsitzende wies darauf hin, dass das Verfahren besonders darum ging, den Sachverhalt zweifelsfrei festzustellen und weniger um den formalen Abschluss des Verfahrens. Dabei bezog er sich auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs.

Die überraschende Wendung erfolgte, als Ofarim vor Gericht erschien und sein Geständnis ablegte. Er küsste seinen Davidstern und schloss mit dem als Nebenkläger beteiligten W. einen zivilrechtlichen Vergleich über Schmerzensgeldansprüche ab. Die Kammer erklärte, dass das Verfahren vorläufig gemäß § 153a Abs. 2 S.1 i.V.m. Abs. 1 Strafprozessordnung gegen die Auflage einer Geldzahlung eingestellt werde. Die Zahlung geht zur Hälfte an die Jüdische Gemeinde zu Leipzig und zur Hälfte an den Trägerverein des Hauses der Wannseekonferenz.

Die Kammer betonte, dass die Wahrheit nun offenliege, und lobte die Gesellschaft, W. und auch Ofarim als Gewinner dieses Prozesses. Ofarim habe durch sein Geständnis, die öffentliche Entschuldigung und die Wiedergutmachung die Verfahrensbeendigung ermöglicht. Die Kammer äußerte sich verständnisvoll und vermittelnd gegenüber Ofarim.

Die Hintergründe der abrupten Wendung wurden in einem Gespräch mit Ofarims Verteidiger, Dr. Alexander Stevens, deutlich. Die Kammer hatte nach dem fünften Verhandlungstag ein Angebot zur vorläufigen Einstellung gegen Geldauflage unterbreitet. Dies sei für Ofarim günstig gewesen, da er keinen juristischen Makel davontrage und keine Eintragungen ins Führungszeugnis erhalte.

Es bleibt jedoch unklar, ob die Verteidigung dieselben Argumente vorgebracht hätte, wenn das Angebot der vorläufigen Einstellung früher gekommen wäre. Spekulationen über die Gründe für die überraschende Wendung und die moralischen Hintergründe von Ofarims Handeln bleiben unbeantwortet.

Der Zentralrat der Juden äußerte sich besorgt über den durch Ofarims falsche Vorwürfe verursachten Schaden für die jüdische Gemeinde und betonte, dass Antisemitismus eine reale Tatsache sei, der weiterhin bekämpft werden müsse.

Interessant hierzu finden wir, dass das Gericht den Sanktionsgedanken im Strafrecht mit dem Verzicht auf ein Urteil in diesem Prozess zurücktreten lassen hat. Das Gericht führte hierzu aus, dass mit der Entschuldigung dem öffentlichen Interesse an einem Strafverfahren bereits Genüge getan wurde: Die Wahrheit darüber, was an jenem Tag in der Hotelloby passierte ist nun aufgedeckt worden. Damit hat Gil Ofarim erheblichen Schaden in seinem öffentlichen Ansehen erlitten und das betroffene Hotel konnte sich in der öffentlichen Meinung vollständig rehabilitieren. Aus diesen Gründen könne das Verfahren gegen eine symbolische Zahlung des Beschuldigten an die jüdische gemeinda eingestellt werden und auf ein Urteil verzichtet werden.

Diesen Ausgang des Verfahrens können wir sehr gut nachvollziehen. Allein die Kosten des Rechtsanwalts und vermutlich auch die des Gerichts wird Gil Ofarim zu tragen haben, womit bereits eine symbolische Sanktion erteilt worden ist.

Den Schaden, der der jüdischen Gemeinde und Opfern von Antisemitismus hierdurch entstanden ist, ist nicht wieder gut zu machen. Hierzu bleibt es bei den Abschlussworten des Gerichts:

„Antisemitismus bleibt eine Tatsache und dessen Bekämpfung unsere Aufgabe.“

RA Marco Schneider