ArtikelArbeitsrechtArtikelRA Dino-Alain ErnstingDer Anspruch auf Erholungsurlaub und Urlaubsabgeltung

3. Juli 2022

Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Mindesturlaub, welcher der Entspannung und Erholung des Berufslebens dienen soll.

Kann der Urlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in natura genommen werden, so besteht häufig ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung.

 

Einleitung

Das Bundesurlaubsgesetz bestimmt für alle Arbeitnehmer diesen gesetzlichen Anspruch auf einen jährlich bezahlten Mindesterholungsurlaub.[1] Auch auf unionsrechtlicher Ebene ist ein bezahlter Mindestjahresurlaub für jeden Arbeitnehmer vorgesehen. Darüber hinaus werden das Arbeitsrecht und somit auch das Urlaubsrecht kontinuierlich durch die zahlreichen Rechtsprechungen des Bundesarbeitsgerichts[2] und die des Europäischen Gerichtshofes[3] geprägt. Das Urlaubsrecht unterliegt daher einem ständigen Wandel. Dabei stehen die verschiedenen Rechtsquellen hinsichtlich ihrer Bestimmungen und Wirkungen nicht immer im Einklang zueinander. Insbesondere das Verständnis der Rechtsnatur des Urlaubsanspruchs und Urlaubsabgeltungsanspruchs weicht voneinander ab, sodass die differenzierte Auslegung zu Konflikten führt. Die Einwirkung des EU-Rechts auf das nationale Urlaubsrecht hat überdies immense Bedeutung auf den urlaubsrechtlichen Abgeltungsanspruch. Die Abgeltung des Urlaubs ist der finanzielle Ausgleich des Urlaubsanspruchs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Im Bundesurlaubsgesetz ist die Abgeltung des Urlaubs in § 7 Abs. 4 geregelt. Abzugrenzen ist der Begriff der Urlaubsabgeltung vom Urlaubsgeld und vom Urlaubsentgelt. Urlaubsgeld ist gesetzlich nicht geregelt und als freiwillige Leistung des Arbeitgebers zu verstehen. Ein solcher Anspruch kann sich aus einer tariflichen bzw. individuell vertraglichen Vereinbarungen oder auch aus einer betrieblichen Übung ergeben. Das Urlaubsentgelt ist in § 11 BUrlG geregelt und bestimmt die Höhe, in der der Arbeitgeber die Weiterzahlung des Gehaltes während des Urlaubs zu leisten hat. Dies ist der durchschnittliche Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat.[4]

Mit in Kraft treten des Bundesurlaubsgesetzes[5] am 1.1.1963 hat der Gesetzgeber eine einheitliche Regelung geschaffen, um dem Arbeitnehmer einen Freiraum für selbstbestimmte Erholung zu gewährleisten. Nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr grundsätzlich einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub von 24 Werktagen. Der volle Urlaubsanspruch wird jedoch erst gem. § 4 BUrlG nach einer sechsmonatigen Wartezeit erworben. Das Bundesurlaubsgesetz gilt gem. § 2 BUrlG für alle Arbeitnehmer, sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten nach § 2 S. 2 BUrlG auch Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind.[6] Der Begriff des Arbeitnehmers wird im Bundesurlaubsgesetz nicht näher definiert. Nach dem allgemeinen Arbeitnehmerbegriff im Arbeitsrecht ist derjenige als Arbeitnehmer anzusehen, der durch einen privatrechtlichen Vertrag im Dienste eines anderen zur weisungsgebundenen Arbeit verpflichtet ist.[7] Dieser Arbeitnehmerbegriff gilt auch im Urlaubsrecht.[8] Auch leitende Angestellte fallen unter den Geltungsbereich des BUrlG, da es allein auf die Stellung des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber ankommt.[9]Ausgenommen sind jedoch Beamte, Richter und Soldaten. Diese Personengruppen sind in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis tätig, dessen Arbeitsverhältnis nicht durch einen privatrechtlichen Vertrag begründet wird. Für diese Personengruppen bestehen besondere Gesetze, wie beispielsweise das Bundesbeamtengesetz.[10]

Wann habe ich Anspruch auf Erholungsurlaub?

Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub aus § 1, 3 Abs 1 BUrlG setzt lediglich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Für den Anspruch auf den vollen Urlaub ist gem. § 4 BUrlG eine Wartezeit von sechs Monaten erforderlich.[11] Hierbei handelt es sich um einen privatrechtlichen Anspruch, den der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber geltend machen kann.[12] Der Anspruch auf Befreiung ist höchstpersönlicher Natur und somit auch nicht übertragbar.[13] Eine vertragliche Vereinbarung, die den Mindesterholungsurlaub einschränkt, ist ebenfalls nicht zulässig.[14] Bei einer Sechs-Tage-Woche beträgt der Jahresurlaubsanspruch mindestens 24 Tage, bei einer Fünf-Tage-Woche mindestens 20 Tage.

Der bezahlte Jahresurlaub ist grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr zu gewähren und nur ausnahmsweise auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen.[15] Ein nicht beanspruchter Urlaub erlischt daher grundsätzlich zum 31.12., spätestens jedoch zum 31.3. des Folgejahres, wenn die in § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG genannten Gründe vorliegen. Der Arbeitnehmer hat auch einen Anspruch auf mindestens zwei Wochen Urlaub am Stück.

Erfolgt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der ersten Kalenderjahreshälfte, ist der Urlaubsanspruch nur zeitanteilig angefallen. Endet das Arbeitsverhältnis hingegen in der zweiten Kalenderjahreshälfte, besteht Anspruch auf den vollen Urlaubsanspruch.

Wann ist der Anspruch auf Urlaub abzugelten?

Nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Voraussetzung für das Bestehen eines Urlaubsabgeltungsanspruches ist demnach die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sowie dass zum Zeitpunkt der Beendigung ein Anspruch auf Urlaub bestanden haben muss.[16]

Können abweichende Vereinbarungen getroffen werden?

Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ist ein Mindestanspruch bei dem, abgesehen von § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG, nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden darf. Auch ein Abkauf eines bestehenden oder noch möglichen Urlaubsanspruchs ist nicht erlaubt, da die Abgeltung des Urlaubs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG nur im Falle der Beendigung zu gewähren ist.[17] Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die bezahlte Freistellung tatsächlich zur Erholung genutzt wird.[18] Endet jedoch das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, ohne dass dieser in den Genuss seines gesamten Erholungsurlaubs gelangt ist, dann geht der noch offene Urlaubsanspruch unter.[19] Da in diesem Fall das Arbeitsverhältnis beendet ist, ist die Gewährung eines Naturalurlaubs unmöglich geworden.[20]Dennoch soll der Arbeitnehmer sich in dem vom BUrlG vorgesehenen Umfang erholen können, weshalb er gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG einen auf Geldzahlung gerichteten Urlaubsabgeltungsanspruch erwirbt. Die Urlaubsabgeltung schafft hierfür die notwendige finanzielle Grundlage.[21]

Wie verhält es sich mit dem Mehrurlaub bzw. Zusatzurlaub, wenn das Arbeitsverhältnis in der zweiten Kalenderjahreshälfte endet?

Neben dem gesetzlichen Mindestjahresurlaub, kann durch Arbeits- oder Tarifvertrag auch Mehrurlaub vereinbart werden. Für den Mehrurlaub, oder auch Zusatzurlaub genannt, können abweichende Regelungen getroffen werden. Diese können auch ungünstigere Regelungen im Vergleich zum gesetzlichen Mindesturlaub enthalten.[22] So kann vereinbart werden, dass bei Ausscheiden in der zweiten Kalenderjahreshälfte der Zusatzurlaub nur zeitanteilig (gezwölftelt) abgegolten wird (sog. pro rata temporis Regelung) oder Urlaubsabgeltung nur in Höhe des nicht genommenen gesetzlichen Urlaubsanspruchs gewährt wird und eine Urlaubsabgeltung für den Zusatzurlaub quasi ausscheidet. Dabei unterliegen abweichende Regelungen einer sog. AGB-Kontrolle und können zur Unwirksamkeit führen, wenn die getroffenen Regelungen den Mindesturlaub negativ tangiert.

Wir beraten Sie hierzu gerne.

 

[1] § 1 BUrlG;[2] Im Folgenden: BAG; [3] Im Folgenden: EuGH; [4] § 11 BUrlG; [5] Im Folgenden: BUrlG; [6] MHdB ArbR / Klose § 85 Rn. 7; [7] ErfK / Preis § 611a BGB Rn. 8; [8]Neumann/Fenski/Kühn/ Neumann § 2 Rn. 11; [9] Neumann/Fenski/Kühn/ Neumann § 2 Rn. 36; [10] Schaub / Linck §104 Rn. 1; [11] NK-GA / Düwell § 1 BUrlG Rn. 30; [12] ErfK / Gallner § 1 BUrlG Rn. 12. [13] Neumann/Finski/Kühn/ Neumann § 1 Rn. 71. [14] § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG; ErfK / Gallner § 1 Rn. 13. [15] § 7 Abs. 3 S.1 und S.2 BUrlG.[16] BAG Urt. v. 19.08.2003 – 9 AZR 619/02, AP BUrlG § 7 Nr. 29; Powietzka/Rolf § 7 Rn. 123; Schubert, RdA 2014, 9.[17] Powietzka/Rolf § 7 Rn. 132.[18] BAG Urt. v. 10.01.1974 – 5 AZR 208/73, AP BUrlG § 7 Nr. 6; Neumann/Finski/Kühn/ Neumann § 7 Rn. 102.[19] Powietzka/Rolf § 1 Rn. 21.[20] Neumann/Finski/Kühn/ Neumann § 1 Rn. 71.[21] Kamanabrou, RdA 2017, 162 ff. [22] Powietzka/Rolf § 1 Rn. 2.

Dino-Alain Ernsting

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