AllgemeinHat sich Knossi strafbar gemacht durch den Fanblast-Skandal? – Rechtliche Einordnung

17. Dezember 2025

„Hat sich Knossi strafbar gemacht durch den Fanblast-Skandal?“

Ausgangslage und bisheriger Sachstand

Nach dem derzeit öffentlich bekannten Sachstand steht die Plattform Fanblast im Verdacht, Fans gegen Entgelt den Eindruck vermittelt zu haben, sie erhielten die private Handynummer von Influencer:innen bzw. könnten persönlich mit ihnen über WhatsApp/iMessage kommunizieren. Tatsächlich sollen die Chats aber – zumindest in relevanten Fällen – von Mitarbeiter:innen externer Agenturen/Dienstleister geführt worden sein. Hinzu kommen Vorwürfe, dass im Chat gezielt eine emotionale Bindung aufgebaut und anschließend über Links kostenpflichtige Inhalte (Fotos/Videos) in teils erheblichen Größenordnungen „verkauft“ wurden (bis hin zu vierstelligen Beträgen pro Foto), wobei Nutzer:innen eine Exklusivität bzw. persönliche Erstellung zugeschrieben worden sein soll .

Wichtig ist: Das ist zunächst die Darstellung eines Verdachts auf Grundlage journalistischer Recherchen und öffentlich zugänglicher Informationen – eine strafrechtliche Bewertung hängt am Ende von Beweisen, internen Abläufen, Verantwortlichkeiten und vor allem dem Wissen und Wollen der Beteiligten ab.

Gleichwohl ist bemerkenswert, dass Hamburger Gerichte die Irreführung jedenfalls wettbewerbsrechtlich bereits sehr deutlich beanstandet haben: Das LG Hamburg untersagte im Wege der einstweiligen Verfügung u.a., Fanblast so zu bewerben, dass der Eindruck direkter Kommunikation mit dem „Content Creator“ entstehe, wenn dies nicht sichergestellt ist, insbesondere bei der Suggestion „private Handynummer“ bzw. „Creator ist online“ und „Nachrichten stammen vom Creator“. Die Verbraucherzentrale berichtet zudem, dass in zweiter Instanz auch das OLG Hamburg diese Linie weitgehend bestätigt habe.

Der strafrechtliche Kern: (versuchter) Betrug nach § 263 StGB

1) Täuschung – Irrtum – Vermögensverfügung – Schaden

Das  geschilderte Modell lässt sich – wenn es so nachweisbar umgesetzt wurde – klassisch unter § 263 StGB (Betrug) prüfen:

Täuschung über Tatsachen: etwa „Du schreibst mit mir/mit dem Star persönlich“, „das ist meine private Nummer“, „ich bin gerade online“, „exklusiver Content nur für dich“ – obwohl tatsächlich Dritte chatten und Inhalte vorproduziert bzw. standardisiert sind.

Irrtum: Fans glauben, sie kommunizieren mit der konkreten Person (höchstpersönlicher Kontakt).

Vermögensverfügung: Abschluss/Bezahlung des Abos, Zahlung für Zusatzinhalte, ggf. weitere Zahlungen aufgrund der im Chat aufgebauten Storylines.

Vermögensschaden: Gerade bei „höchstpersönlichen“ Leistungen ist der Punkt entscheidend: Bezahlt wird nicht „irgendein Chat“, sondern der Kontakt zur bestimmten Person. Fällt dieser Zweck weg, spricht viel dafür, dass die Leistung wirtschaftlich nicht gleichwertig ist.

2) Besonders schwerer Fall / Gewerbsmäßigkeit

Sollte sich bestätigen, dass das System auf Dauer angelegt war, mit Schulungen/Guides, KPIs/Provisionen etc., läge als Qualifikation regelmäßig der gewerbsmäßige Betrug nahe (besonders schwerer Fall). Das würde den Strafrahmen erheblich verschärfen.

3) Versuch

Selbst wo Betroffene (noch) nicht gezahlt haben, kann bereits ein Betrugsversuch in Betracht kommen, wenn die Täuschung gezielt zur Zahlung ansetzen sollte (z.B. „schalte frei, sonst schreibe ich nicht mehr“).

Wer könnte strafrechtlich verantwortlich sein?

Agentur/„Chatter“ (operative Ebene)

Wenn Mitarbeiter:innen bewusst unter fremder Identität agieren und Zahlungen auslösen sollen, kommt täterschaftlicher Betrug oder Teilnahme (Beihilfe/Anstiftung) in Betracht – abhängig von der konkreten Weisungslage, Täuschungsintensität und dem eigenen Vorsatz.

Creator/Influencer, deren Identität genutzt wird

Entscheidend ist hier: Wussten die Creator, dass nicht sie selbst chatten – und wurde trotzdem mit „persönlichem Kontakt“ geworben bzw. wurden voice notes/Verifikationsmittel bereitgestellt, um „Echtheit“ zu suggerieren (wie im Transkript geschildert)? Dann rückt eine Verantwortlichkeit als Täter:in oder Teilnehmer:in näher. Das wird erfahrungsgemäß stark von internen Absprachen, Briefings, Freigaben von Werbetexten und dem Umfang der Einbindung abhängen. nach der journalistischen Recherche sieht es so aus, als hätten die Influencer  sehr gut über die Praktiken Bescheid gewusst. so hätten sie der Agenturbescheid gesagt, wenn sie auf einem Event öffentlich zu sehen sind, sodass währenddessen nicht geklettert wird. Auch wurden Sprachnachrichten allgemein vorgefertigt, um zu verifizieren, dass sie gerade mit dem Kunden schelten. Nach dieser Sachlage sieht es sehr stark danach aus, dass Sie mit Wissen und Wollen, also Dolus directus 1. Grades, gehandelt haben.

Plattformbetreiber / Verantwortliche der Betreiber-Gesellschaft

Wer das System technisch, organisatorisch und marketingseitig ermöglicht, kann – je nach tatsächlicher Rolle – als Täter (Organisationsherrschaft) oder jedenfalls als Teilnehmer in Betracht kommen. Das LG Hamburg hat wettbewerbsrechtlich gerade das Systemische der Irreführung (private Nummer/Online-Symbol/Absender) beanstandet.

Fokus Knossi: Strafbarkeit als (Mit-)Gründer, Gesellschafter und Werbegesicht?

Knossi (Jens Knossalla) ist als bekanntester Name mit dem Projekt verbunden. Öffentlich hat er erklärt, er sei nicht „Eigentümer“, sondern Teil eines Gründungs-/Investorenteams gewesen, seit über zwei Jahren nicht operativ eingebunden gewesen und habe keine Kenntnis von den nun behaupteten Vorgehensweisen; er distanziere sich.

Für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Knossi sind – sehr vereinfacht – drei Ebenen zu trennen:

1) Bloße Gesellschafterstellung reicht nicht

Allein die Tatsache, Gesellschafter/Investor zu sein, begründet nicht automatisch Strafbarkeit für operative Taten der Gesellschaft. Strafrecht ist grundsätzlich tat- und vorsatzbezogen.

2) Relevanz durch aktive Rolle: Bewerbung, Außenauftritt, Mitgestaltung

Anders kann es aussehen, wenn eine Person

maßgeblich wirbt, Vertrauen der Zielgruppe nutzt,

mitgestaltet (Produkt/Marketing/Claims),

oder trotz Warnsignalen bewusst die Augen verschließt und den Erfolg der Täuschung billigend in Kauf nimmt.

Dann sind – je nach Beweislage – Konstellationen denkbar wie:

Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) bei nachweisbarer Mitsteuerung,

Anstiftung (§ 26 StGB), falls bewusst zu täuschendem Marketing/Vertrieb angeleitet wurde,

Beihilfe (§ 27 StGB), wenn bewusst unterstützt wurde (z.B. Reichweite/Trust zur Umsetzung der Täuschung).

Hier existieren Videos und Werbung von Knossi, in denen er für die Firma wirbt. Auch sollte das Abomodell und die Praxis  zumindest naheliegend sein. So wäre das Produkt nicht skalierbar, wenn tatsächlich nur die Influencer mit den Fans scheitern würden. Erst dadurch, dass die „Chat-Arbeit “ abgenommen wird, wird das Produkt überhaupt erst wirtschaftlich profitabel. Dass diese Option völlig unbekannt und nicht gewünscht war, ist bei einem profitablen Unternehmen und Knossi als erfahrnem Unternehmer wohl eher unwahrscheinlich.

Trotzdem gilt hier die Unschuldsvermutung und eine staatsanwaltschaftliche Aufklärung.

3) Zentrales Nadelöhr: Vorsatz (Wissen/Wollen) – ggf. bedingter Vorsatz

Der häufig diskutierte Punkt ist der bedingte Vorsatz (dolus eventualis): Hat jemand die Täuschung zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen?

Bei Knossi wären dafür – rein hypothetisch – typische Beweisthemen:

Welche Werbeaussagen wurden von ihm (oder mit seiner Zustimmung) konkret getätigt?

Welche Kenntnis hatte er über die tatsächliche Chat-Organisation (Agentur-Handling, Scripts, Voice-Note-Verifikation, Upsell-Mechaniken)?

Gab es interne Hinweise/Abmahnungen/Urteile/Medienberichte, nach denen die Außendarstellung hätte korrigiert werden müssen? (Hier ist relevant, dass Gerichte die Irreführung jedenfalls untersagt haben. )

Welche Rolle hatte er in der Übergangsphase (Streamblast → Fanblast) und bei der strategischen Ausrichtung?

Je mehr sich belegen ließe, dass die „Nähe-Illusion“ nicht Randproblem, sondern Kern des Geschäftsmodells war, desto stärker würde sich die strafrechtliche Prüfung auf Personen konzentrieren, die als Gesichter/Multiplikatoren dieses Versprechen nach außen tragen – aber: Ohne belastbare Belege für Wissen/Wollen bleibt das zunächst eine offene Frage und darf nicht als feststehend dargestellt werden.

Nebenkriegsschauplätze mit erheblicher Relevanz

Datenschutz / intime Inhalte

Die Verbraucherzentrale weist auf mögliche Datenschutzverstöße hin, insbesondere wenn intime Inhalte oder sensible Daten ohne ausreichende Information/Einwilligung bei externen Dienstleistern landen.

Strafrechtlich kann das je nach Einzelfall in weitere Delikte hineinreichen; zivilrechtlich sind Schadensersatzansprüche denkbar.

Jugendschutz / Impressum / Pflichtinformationen

Auch solche Punkte wurden im Hamburger Verfahren thematisiert (u.a. Jugendschutz, Informationspflichten).

Das ist zwar nicht der „Betrugskern“, erhöht aber den Druck auf die Verantwortlichen und kann die Gesamtwürdigung beeinflussen.

Was Betroffene typischerweise tun können (zivilrechtlich)

Unabhängig von Strafanzeigen sind für Betroffene regelmäßig zivilrechtliche Schritte interessant:

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB),

Rückforderung von Zahlungen (je nach Anspruchsgrundlage §§ 823 II, 263 StGB, 280, 812 BGB etc.),

ggf. Schadensersatz (auch datenschutzrechtlich, abhängig vom konkreten Umgang mit Daten).

Praktisch wichtig: Beweise sichern (Screenshots der Werbung, Vertrags-/Abo-Screens, Chatverläufe, Zahlungsbelege, Links zu „Exklusivcontent“, Hinweise wie „ich bin’s wirklich“ etc.).

Fazit

Nach dem bisher bekannten Sachstand steht bei Fanblast ein Modell im Raum, das – sofern es sich in den entscheidenden Punkten beweisen lässt – strafrechtlich sehr nahe an (gewerbsmäßigem) Betrug liegt. Die wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen aus Hamburg stützen zumindest die Annahme einer relevanten Irreführung über „private Nummer“, „persönliche Kommunikation“ und „Online-Status“.

Für Knossi gilt: Eine Strafbarkeit ist nicht schon wegen seiner Prominenz oder einer früheren Beteiligung „gesetzt“. Sie hängt maßgeblich daran, ob sich ein vorsätzliches Mitwirken (auch in Form bedingten Vorsatzes) an einem täuschenden System nachweisen lässt – und wie seine konkrete Rolle (operativ/werbend/mitgestaltend) in den relevanten Zeiträumen tatsächlich war. Seine öffentlichen Distanzierungen und Angaben fehlender Kenntnis sind dabei Teil der Gesamtabwägung, aber nicht das Ende der Prüfung.

RA Marco Schneider

RA Marco Schneider